27. April 2024
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Schwarzes Loch im Zentrum der Milchstraße bewiesen – Astrophysiker Reinhard Genzel erhält Nobelpreis

Reinhard Genzel, Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching, Landkreis-München, erhält gemeinsam mit Roger Penrose und Andrea Ghez den Nobelpreis für Physik 2020. Das Nobel-Komitee zeichnet die Wissenschaftler für den Nachweis des schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße aus. Mit hochpräzisen Methoden beobachteten die Forscher zudem Helligkeitsausbrüche von Gas aus der unmittelbaren Umgebung des schwarzen Lochs und eine von dem 4,31 Millionen Sonnenmassen schweren Monster verursachte Gravitationsrotverschiebung im Licht eines vorbeiziehenden Sterns.

Reinhard Genzel erhält Physik-Nobelpreis 2020
Max-Planck-Direktor Reinhard Genzel erhält Physik-Nobelpreis 2020
Quelle Foto: Max-Planck-Institut für Extraterrestrische Physik, Garching

Reinhard Genzel und seine Gruppe haben im Jahr 2001 das rund 26.000 Lichtjahre entfernte Herz unserer Milchstraße im infraroten Licht unter die Lupe genommen. Dabei kartierte die Forschergruppe die Bewegung von Sternen des zentralen Sternhaufens mit hoher räumlicher Auflösung. 

Dabei gelang ihnen die präzise Messung von Sterngeschwindigkeiten im Gravitationsfeld des vermeintlichen schwarzen Lochs bis zu einem Abstand von 0,1 Bogensekunden. Daraus bestimmten Genzel und die Astronomen aus dem Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching im Landkreis München die Masse des schwarzen Lochs mit recht hoher Genauigkeit auf etwa 4,31 Millionen Sonnenmassen.

Weitere Studien der Gruppe um Reinhard Genzel zeigten, dass sowohl das Massenspektrum als auch die Geometrie der Sterne im Zentrum der Galaxis ungewöhnlich sind. Außerdem entdeckten die Wissenschaftler Strahlungsausbrüche im Infrarotbereich, die wahrscheinlich von Gas nahe der inneren Akkretionsscheibe des schwarzen Lochs stammen.

Erst im vergangenen Jahr war es Reinhard Genzel gelungen, erstmals an einem Stern die sogenannte Gravitations-Rotverschiebung nachzuweisen. Zur Beobachtung des galaktischen Zentrums nutzen die Astronomen empfindliche Instrumente des Riesen-Teleskops der Europäischen Südsternwarte (ESO). Diese wurden unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik gebaut und mustern den Himmel im infraroten Licht.

Ein Stern bringt den Beweis für ein Schwarzes Loches im Zentrum unserer Milchstraße

Die Masse eines schwarzen Lochs ist bekanntlich nicht sichtbar, weil es das Licht verschluckt. Um einen solchen Masseriesen zu beweisen, muss man deshalb einen Umweg gehen. Die Forscher richteten ihr Augenmerk daher auf einen Stern namens S2 und verfolgten ihn auf seiner Umlaufbahn um das schwarze Loch, dem er im Jahr 2018 besonders nahe kam. So betrug die geringste Entfernung zwischen S2 und dem schwarzen Loch am 19. Mai 2018 ungefähr 14 Milliarden Kilometer. Der Stern bewegte sich dabei mit einem Tempo von mehr als 25 Millionen Kilometern pro Stunde – entsprechend nahezu drei Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Für einen vollständigen Umlauf benötigt er etwa 15 Jahre.

Die Wissenschaftler verglichen die Positions- und Geschwindigkeitsmessungen sowie jene aus früheren Beobachtungen von S2 mit den Vorhersagen der Newtonschen Gravitationsphysik, der allgemeinen Relativitätstheorie und auch anderen Gravitationstheorien. Tatsächlich stehen die neuen Ergebnisse im Widerspruch zu den Newtonschen Vorhersagen, stimmen jedoch mit denen der allgemeinen Relativitätstheorie ausgezeichnet überein.

Die Messungen zeigten deutlich einen Effekt, der als Gravitations-Rotverschiebung bezeichnet wird: Das Licht des Sterns S2 wird durch das sehr starke Gravitationsfeld des schwarzen Lochs zu längeren Wellenlängen hingestreckt und erscheint daher rötlich. Diese Änderung der Wellenlänge stimmte genau mit der Vorhersage von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie überein. Damit hatten die Forscher zum ersten Mal diese Abweichung von den Vorhersagen der einfacheren Newtonschen Gravitationstheorie in der Bewegung eines Sterns um ein supermassereiches schwarzes Loch beobachtet.

Ebenfalls im Jahr 2018 veröffentlichte Reinhard Genzel eine Arbeit über die Beobachtung von Helligkeitsausbrüchen in der unmittelbaren Nähe des galaktischen schwarzen Lochs. Dabei sahen die Forscher drei solcher Flares. Alle hatten sie dieselben Bahnradien und dieselben Umlaufperioden. Die Bewegung dieser drei heißen Flecken im galaktischen Zentrum lässt sich durch ein einfaches Orbitmodell erklären, dessen Radius drei- bis fünfmal größer ist als jener des Ereignishorizonts des schwarzen Lochs. Dabei, so fand die Gruppe um Genzel heraus, wirbelt Gas mit einem Tempo von 30 Prozent der Lichtgeschwindigkeit um dieses herum – ganz im Einklang mit der Theorie.

Erst im Frühjahr diesen Jahres gelang einem Team um den Max-Planck-Direktor eine weitere maßgebliche Entdeckung: Eine jahrelange Beobachtung der Bahn des Sterns S2 zeigte, dass diese nicht ortsfest im Raum bleibt, sondern gleichsam langsam voranschreitet. Das heißt, mehrere Umläufe von S2 ergeben die Form einer Rosette. Auch diesen Effekt hatte Albert Einstein in seiner allgemeinen Relativitätstheorie prophezeit, und er erklärt etwa die schon lange bekannte Drehung der Merkurbahn.

Gelungen war auch diese Entdeckung mit dem Instrument Gravity, welches das Licht aller vier Acht-Meter-Spiegel des Very Large Telescope der ESO vereint. Dank dieser Interferometrie genannten Technik erzeugt Gravity die Leistung eines virtuellen Fernrohrs mit einem effektiven Durchmesser von 130 Metern.

Genzel ist auch Honorarprofessor an der LMU in München 

Der Astrophysiker Reinhard Genzel ist mit einem der diesjährigen Nobelpreise für Physik ausgezeichnet worden. Er erhält die Auszeichnung zusammen mit Andrea Ghez von der University of California in Los Angeles, USA. Die andere Hälfte des diesjährigen Preises geht an Roger Penrose von der University of Oxford, Großbritannien. Die drei Wissenschaftler werden für die Erforschung Schwarzer Löcher geehrt.

Genzel, Jahrgang 1952, ist Direktor am Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching und leitet dort die Abteilung Infrarot- und Submillimeter-Astronomie. Gleichzeitig ist er Professor an der University of California in Berkeley, USA, und seit 1988 Honorarprofessor an der Fakultät für Physik der  Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo er mit Kolleginnen und Kollegen seit Langem in vielen wissenschaftlichen Projekten wie zum Beispiel bei der Instrumentenentwicklung für Großteleskope zusammenarbeitet.

„Wir gratulieren Professor Reinhard Genzel zu der höchsten Auszeichnung in der Welt der Wissenschaft. Mit ihm wird ein herausragender Wissenschaftler gewürdigt, dessen bahnbrechende Arbeiten aus der Astrophysik nicht mehr wegzudenken sind“, sagt LMU-Präsident Professor Bernd Huber.

Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler erklärt zur Auszeichnung des Physikers Prof. Dr. Reinhard Genzel mit dem Nobelpreis der Königlichen Schwedischen Akademie der Wissenschaften: “ Es ist eine große Ehre, mit  Professor Reinhard Genzel eine solche Expertise an unserer Münchner Universität zu haben. Von Bayern aus hat Professor Genzel ein supermassives kompaktes Objekt im Zentrum unserer Galaxie entdeckt – eine bahnbrechende Entdeckung, die die Astrophysik nachhaltig prägen wird. Dazu gratuliere ich ihm und seiner Arbeitsgruppe. Ich bin mir sicher, dass diese Auszeichnung und der Blick auf unsere hervorragenden Forschungsbedingungen noch mehr Spitzenwissenschaftlerinnen und Spitzenwissenschaftler dazu inspiriert, nach Bayern zu kommen.“

 

 

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